Schulden, Strom, Wohnungen Schauen Sie mal, was uns die Ampel versprochen hat - und was daraus wurde

Autor Oliver Stock

Montag, 18.12.2023, 15:12

Die Haushaltskrise und ihre Folgen erschüttern das Vertrauen der Bürger in die Ampel-Regierung. Wer genauer hinsieht, merkt: Die aktuelle Krise ist nur die Spitze des Eisbergs. Sechs hoffnungsvolle Versprechen haben Scholz, Habeck und Lindner bereits gebrochen.

IMAGO/Chris Emil Janßen Finanzminister Christian Lindner (FDP), Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)

Die meisten Deutschen haben ihre Regierung satt. 59 Prozent wollen Neuwahlen im nächsten Jahr. So lauten aktuelle Umfrageergebnisse vom Wochenende. Die Enttäuschung zur Halbzeit der rot-grün-gelben Koalition ist maßlos. Und sie hat einen Grund: Keine andere Regierung ist mit einem so vollmundigen Regierungsprogramm angetreten. Und keine andere Regierung hat dermaßen viele zentrale Versprechen gebrochen.

Dies gilt umso mehr, seit die Ampel nun mit einem auf Kante genähten Haushalt 2024 versuchen muss, die Vorgaben des Verfassungsgerichts einzuhalten, was in der bisherigen Buchführung einen klaren Verfassungsbruch gesehen hat. Erst fehlte es an einem schlüssigen Plan und nun ist auch kein Geld mehr da, um weite Sprünge zu machen.

Es sind sechs hoffnungsvolle Versprechen, die SPD, Grüne und FDP in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hatten. Die Wählerinnen und Wähler messen sie daran. De Regierungsmitglieder wollen davon aber offenbar nichts mehr wissen.

1. Schulden sprengen die Verfassung

"Ab 2023 werden wir die Verschuldung auf den verfassungsrechtlich von der Schuldenbremse vorgegebenen Spielraum beschränken und die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten", steht im Koalitionsvertrag.

Das hat nicht funktioniert. Noch unter Olaf Scholz als Finanzminister war die Bundesregierung zu einer Art doppelten Buchführung übergegangen. Dann, unter seiner Kanzlerschaft und unter den Augen von Christian Lindner als seinem Nachfolger im Amt des Finanzministers sowie mit Klimaschutzminister Robert Habeck als größtem Nutznießer, wurde der Corona-Nothilfefonds unter Bruch der Verfassung zu einem Klimafonds umgewidmet.

Mit Worten wie "Sondervermögen" - etwa für die Bundeswehr - wurde kaschiert, dass in Wahrheit kein Vermögen, sondern weitere Schulden am Haushalt vorbei gemacht werden. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gibt es seither nur noch auf dem Papier. Falls sie trotz der trickreich konstruierten "Sondervermögen" doch zu greifen droht, wird sie mit Verweis auf Notsituationen außer Kraft gesetzt: So etwa jetzt mit Rückgriff auf die Flutkatastrophe im Jahr 2021 im Ahrtal oder den im Februar 2022 ausgebrochenen Krieg Russlands gegen die Ukraine.

2. Strompreise gehen durch die Decke

Der Koalitionsvertrag sieht vor: "Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass die Wirtschaft wettbewerbsfähige Strompreise bekommt."

Daraus wird nichts. Deutschlands Energiepreise liegen derzeit inklusive Stromsteuer bei 40 Cent pro Kilowattstunde. Energieintensive Unternehmen zahlen weniger, aber immer noch viermal mehr als vergleichbare Firmen in den USA und siebenmal mehr als in China.

Nach der Haushaltsentscheidung der Ampel-Regierung geht die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) davon aus, dass die Strompreise für die Wirtschaft weiter steigen werden. DIHK-Präsident Peter Adrian errechnet eine Steigerung von 10 bis 20 Prozent. Er warnt vor einer "zusätzlichen Konjunkturbremse". Es sei das falsche Signal an viele Betriebe, die etwa ihre Produktion oder ihren Fuhrpark von fossiler Energie auf Strom umstellen wollen - "zumal gleichzeitig bei Diesel und Kerosin die Kosten ebenfalls steigen".

3. Der Wohnungsbau fährt gegen die Wand

Versprochen war im Koalitionsvertrag: "Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr."

Bauministerin Klara Geywitz gestand bereits zu Beginn des Jahres ein, dass das zu hoch gegriffen war. Das ifo-Institut kam im Sommer zu dem Schluss, dass in diesem Jahr rund 245.000 und im nächstes Jahr 210.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Steigende Bauzinsen tragen dazu bei, aber auch immer detailliertere Bauvorschriften, die darauf abzielen, den Energieverbrauch der Häuser zu mindern.

Vorschriften für Heizung und Dämmung und ein undurchsichtiger Förderdschungel, der einen ganz neuen Berufszweig von Energieberatern hervorgebracht hat, lassen Investoren und Bauherren kapitulieren. Im Zuge der Haushaltsberatungen hat die Bundesregierung den "Geschwindigkeitsbonus" für schnelles Bauen ebenso gestrichen wie den Sanierungsfördersatz, der energetisch motivierte Umbauten voranbrachte. Das würgt die Baukonjunktur zusätzlich ab.

4. Mobilität wird schmutziger

"Wir wollen die 2020er Jahre zu einem Aufbruch in der Mobilitätspolitik nutzen. Die erforderlichen Entscheidungen mit dem Ziel der Dekarbonisierung des Mobilitätsbereiches werden wir treffen", versprachen die Unterzeichner des Koalitionsvertrags.

Die Wirklichkeit sieht so aus: Der Marktanteil von E-Autos bei den Neuzulassungen dürfte nach Ansicht von Branchenexperten im kommenden Jahr stark zurückgehen. Grund dafür sind die geringeren Zuschüsse des Staates beim Kauf. Da die Förderung abhängig von verfügbaren Haushaltsmitteln ist, ist sie seit diesem Wochenende komplett gestrichen.

Die Bahn, die zwar immer mehr Geld erhielt und dennoch ein marodes Unternehmen blieb, erhält nun weniger Geld, was sie garantiert nicht besser macht. Wer einigermaßen pünktlich ankommen muss, steigt um aufs Auto.

5. Bürokratie erstickt Initiative

Beim Abschuss des Koalitionsvertrags schauten sich die Beteiligte in die Augen und schworen sich: "Wir wollen Abläufe und Regeln vereinfachen und der Wirtschaft, insbesondere den Selbstständigen, Unternehmerinnen und Unternehmern, mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben schaffen. Überflüssige Bürokratie werden wir abbauen."

Das Gegenteil ist passiert. Lutz Göbel, der Präsident des Normenkontrollrates, der den Bürokratieabbau beaufsichtigen soll, sagt: "Typische Handwerksbetriebe mit zehn Mitarbeitern können die Regelungsdichte gar nicht im Blick behalten. Wenn sie alles berücksichtigen, was zu berücksichtigen ist, können sie ihren Betrieb einstellen."

Die Ministerialbürokratien würden immer größer. "Mehr Personal bedeutet, dass sich immer mehr Menschen mit Vorschriften beschäftigen. So entsteht immer mehr Aufwand."

Tatsächlich wächst seit 2015 der staatliche Sektor langsam, aber stetig. Inzwischen arbeiten wieder mehr als fünf Millionen Menschen für den Staat und allerorten klagen Bund, Länder und Kommunen, dass zahlreiche Stellen unbesetzt sind.

6. Die Luft wird schmutziger

"Wir wollen die Luftbelastung weiter reduzieren, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt nachhaltig zu schützen", heißt es im Koalitionsvertrag.

Daraus ist bisher nicht geworden. Im Gegenteil: Drei laufende Atomkraftwerke hatte die amtierende Bundesregierung "geerbt" und planmäßig abgeschaltet. Damit verschlechterte sie die CO2-Bilanz Deutschlands mit einem Schlag. Für Ersatz sorgen Betreiber von Braun- und Steinkohlekraftwerken - was bis zu 35 Millionen Tonnen CO2 mehr pro Jahr bedeutet.

Das umstrittenste Gesetz dieses Jahres war das zum Zwangsumbau von Heizungssystemen auf Strom als Heizquelle. Der teure Umbau sollte mit Subventionen abgefedert werden, von denen lange nicht klar war, wie hoch sie sind. Jetzt ist klar: Es wird weniger als versprochen, weil das Geld fehlt. Für das Klima in Deutschland ist das auf jeden Fall kein Fortschritt.

Der Beitrag "Schauen Sie mal, was uns die Ampel versprochen hat - und was daraus wurde" stammt von The European.


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